Unerwarteter Umschwung: Anleger setzen verstärkt auf größere Zinssenkung der Fed
Die Finanzwelt befindet sich in einem Zustand der Spannung und Unsicherheit, während sich der Termin für die nächste Zinsentscheidung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nähert.
Was lange Zeit als ausgemachte Sache galt - eine moderate Zinssenkung um 25 Basispunkte oder 0,25 Prozentpunkte - steht nun plötzlich infrage. Stattdessen hat sich in den letzten Tagen die Wahrscheinlichkeit für eine deutlich aggressivere Zinssenkung um 50 Basispunkte drastisch erhöht, was die globalen Finanzmärkte in Aufruhr versetzt.
Daten der “CME”, der größten Terminbörse der Welt, zeigen diese bemerkenswerte Entwicklung deutlich: Während am Donnerstagvormittag nur 14 Prozent der Zinshändler mit einer XL-Zinssenkung rechneten, stieg dieser Wert bis zum Handelsschluss am Freitag auf 50 Prozent. Diese abrupte Veränderung der Markterwartungen lässt sich nicht auf ein einzelnes Ereignis zurückführen, sondern scheint das Ergebnis verschiedener Faktoren zu sein.
Einerseits spielen aktuelle US-Wirtschaftsdaten eine Rolle. Der Erzeugerpreisindex (PPI) stieg im August nur leicht an, während die jährliche Wachstumsrate auf den niedrigsten Stand seit Februar fiel. Gleichzeitig wurden die Zahlen des Vormonats nach unten korrigiert. Parallel dazu stieg die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung etwas stärker als erwartet. Diese Entwicklungen könnten als Argumente für eine stärkere Zinssenkung interpretiert werden, da sie sowohl auf eine kontrollierte Preisentwicklung als auch auf einen potenziell schwächelnden Arbeitsmarkt hindeuten - zwei Faktoren, die im Fokus der Fed stehen.
Andererseits verweisen Experten wie Jim Reid von “Deutsche Bank Research” auf einflussreiche Medienberichte im “Wall Street Journal” und der “Financial Times”, die eine Zinssenkung um 50 Basispunkte als realistische Möglichkeit ins Spiel brachten. Besonders ins Gewicht fiel dabei die Aussage von Jon Faust, bis vor kurzem Berater von Fed-Chef Jerome Powell, der eine “knappe Entscheidung” zwischen 25 und 50 Basispunkten prognostizierte und seine persönliche Präferenz für den größeren Schritt äußerte.
Die veränderten Zinserwartungen haben bereits spürbare Auswirkungen auf verschiedene Marktsegmente.
Die Renditen von US-Staatsanleihen, insbesondere die der besonders zinssensiblen zweijährigen Papiere, fielen auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren. Der Dollar-Index, der die US-Währung mit einem Korb anderer wichtiger Währungen vergleicht, gab nach und näherte sich seinem Jahrestief. Von diesen Entwicklungen profitierte vor allem Gold, das einen neuen Höchststand erreichte - ein typisches Muster in Zeiten niedriger Zinsen und eines schwächeren Dollars.
Besonders auffällig war die Abwertung des Dollars gegenüber dem japanischen Yen, was wiederum die exportorientierten japanischen Aktienindizes wie den “Nikkei 225” und den Topix unter Druck setzte. Diese Währungsbewegungen wecken Erinnerungen an die Marktturbulenzen vom August, als ähnliche Verschiebungen zu einem weltweiten Börsenausverkauf führten. Damals spielten sogenannte “Carry-Trades” eine zentrale Rolle, bei denen Investoren die Zinsdifferenz zwischen Japan und den USA ausnutzten.
Experten wie der unabhängige Kapitalberater Ed Yardeni warnen nun vor dem Risiko erneuter Verwerfungen durch “Carry-Trades”, sollte die Fed tatsächlich eine XL-Zinssenkung vornehmen. Die genaue Dimension solcher Trades ist zwar unklar, aber ihr Potenzial, Marktturbulenzen auszulösen, bleibt ein Faktor, den Anleger im Auge behalten sollten.
Trotz dieser potenziellen Risiken reagierten die Aktienmärkte bisher überwiegend positiv auf die Aussicht niedrigerer Zinsen. Sowohl in den USA als auch in Europa verzeichneten die wichtigsten Indizes Kursgewinne. Anleger scheinen derzeit vor allem die positiven Aspekte einer möglichen Zinssenkung zu sehen, wie verbesserte Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und eine Stimulierung des privaten Konsums. Dennoch bleibt die Mehrheit der Analysten und Ökonomen bei ihrer Prognose einer moderaten Zinssenkung um 25 Basispunkte. Sie verweisen auf die weiterhin robuste US-Wirtschaft und die sich normalisierende Inflation. Experten wie Lisa Shalett von “Morgan Stanley” und “UBS”-Chef Sergio Ermotti warnen sogar vor überzogenen Erwartungen an aggressive Zinssenkungen und sehen die aktuellen Markterwartungen als zu optimistisch an:
„Dieses Szenario erfordert wahrscheinlich langsame und seichte Zinssenkungen in Viertelpunktschritten in Richtung 3,5 Prozent bis Ende 2025“, schreibt Expertin Shalett.
Auch Sergio Ermotti, Chef der Schweizer Großbank “UBS”, zeigte sich ähnlich skeptisch: „Ich glaube, der Markt ist ein wenig zu weit voraus, wenn er erwartet, dass die Fed so aggressiv vorgehen wird.“
Die ungewöhnlich große Unsicherheit über den Ausgang der bevorstehenden Fed-Sitzung birgt das Potenzial für erhebliche Marktbewegungen in den kommenden Wochen. Anders als in der jüngeren Vergangenheit, als die Fed die Märkte in der Regel gut auf ihre Entscheidungen vorbereiten konnte, herrscht diesmal echte Spannung. Unabhängig davon, wie die Entscheidung ausfällt, wird eine Gruppe von Marktteilnehmern ihre Erwartungen anpassen müssen, was unweigerlich zu Bewegungen an den Finanzmärkten führen wird. Diese Situation unterstreicht einmal mehr die zentrale Rolle der Geldpolitik für das globale Finanzgeschehen und die Herausforderungen, vor denen Anleger in Zeiten erhöhter Unsicherheit stehen.
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